(ö) Kein Allheilmittel
#ClosedAdvent (19) // Lockdown, Tag 4
Ja, die Pandemie und all die Einschränkungen zehren auch an mir. Zumindest dachte ich das. Aber wenn ich sehe, wie es mir seit Freitag, also Urlaubsanfang, geht, war ich nicht pandemüde, sondern einfach nur urlaubsreif. Sicherlich hat die Pandemie einen leicht (!) verstärkenden Effkt auf die Urlaubsreife, aber ich erwähnte es schon mehrmals: So richtig tangiert mich die Pandemie nicht. (Ich habe letztens den obligatorischen Jahresend-Fragebogen angefangen und so wirklich schlecht schneidet das Jahr nicht ab.) Und in meiner Freiheit fühle ich mich schon mal gar nicht eingeschränkt.
Ehrlicherweise finde ich es auch ein bisschen spannend, diese Zeiten miterleben zu dürfen. Es ist Wahnsinn, was wissenschaftlich binnen eines Jahres passiert ist. Wie schnell Forschung geht (gehen kann). Wie gut eine sehen kann, dass Forschung letztlich immer was mit dem Gemeinwohl zu tun hat. Ja, auch wenn Resultate der Forschung monetarisiert werden. Forschung kostet nun mal Geld und wir leben im Kapitalismus. Deal with it.
Wer halbwegs unaufgeregt und interessiert die Berichte aus der Forschung verfolgt hat, wird auch gelernt haben: Forschung lernt immer dazu. Gute Forschung ist bereit Fehler einzugestehen. Forschung baut aufeinander auf. Nicht allzu selten entdecken zwei Forschungsgruppen Ähnliches oder gar Dasselbe.
Es ist faszinierend, wie viel wir alle in nur einem Jahr über das Virus lernen konnten. Und wir werden noch viel lernen (müssen). Die Impfung ist nicht das Ende der Fahnenstange.
Ja, es ist gut, dass wir mittleweile Impfstoffe haben. Impfen ist wichtig und hilft. Die Impfung wird einer persönlich viel bringen. Keine Frage. Aber Impfen ist kein Allheilmittel. Neben einer ausreichenden Durchimpfung – Stichwort Herdenimmunität – brauchen wir dennoch Medikamente. Denn es wird noch lange Covid-19-Erkrankungen geben. Außerdem wird es einfach noch sehr lange dauern, bis wir – theoretisch – eine ausreichende Durchimpfung erreicht haben werden. Praktisch wird es vermutlich noch viel länger dauern, falls wirklich jemals erreicht. Denn dafü gibt es zu viele Impfgegnerinnen, Impfkritische und Corona-Leugnerinnen. Menschen, die nicht nicht geimpft werden KÖNNEN, werden noch eine ganz lange Zeit ungeschützt sein.
Ich finde dieses Gegeiere auf die Impfungen sehr schwierig. Was verspricht sich eine davon? Dass sie ihr „normales“, Vor-SARS-CoV-2-Leben zurückhaben wird?! Auch mit Impfung wird das Leben nicht wieder das sein, dass es vor der Pandemie war (s. vorheriger Absatz), denn wir werden das SARS-CoV-2 nicht ausrotten wie z.B. Polio.
Ich denke an meinen Vater, der vermutlich zur 1. oder 2. Impfgruppe gemäß BMG gehören wird*. Doch werden wir ihn weiterhin nicht einfach besuchen können, sobald er geimpft ist. Denn zum einen wissen wir ja nicht, ob er wirklich Immunität gegen das Virus aufbaut. Zum anderen – gehen wir von Immunität aus – ist die Impfung keine Garantie für Nicht-Erkranken, sondern für einen milderen Verlauf. Das Problem ist aber, dass mein Vater mit seinen Grunderkrankungen auch einen milden Verlauf tendenziell nicht überstehen wird. Für mich bedeutet das, dass ich mich (bzw. wir uns) vor jedem Besuch bei meinen Eltern testen lassen werde. Die Schnelltests werden es möglich machen.
Ich weiß nicht, ob es ein Zurück zur Vor-Pandemie-Normalität geben wird. Daher bin ich mir auch ziemlich sicher, dass es nicht so hilfreich ist, dieser Normalität nachzutrauern. Und panisch in die Zukunft gucken. Wir müssen mit der Situation leben, so wie sie ist. Mit allen Unsicherheiten. Und wir werden bei jedem Schritt, den die Forschung macht, neu denken oder zumindest nachjustieren müssen.
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* Und ich hoffe sehr, dass meine Mutter ihn impfen lassen wird. Ich bin mir sicher, er würde es wollen.