(ö) Wehret den Anfängen
Ich glaube, dass wir den Anfängen in dem Sinne nicht mehr wehren können. Es hat sich schon viel zu viel Bahn gebrochen. Ich glaube nicht, dass wir hinsichtlich dem Rechtsruck in Deutschland noch irgendwo am Anfang stehen. Wir sind mitten drin.
Und ich glaube, dass wir uns zu lange in einer falschen Sicherheit gewiegt haben. Nur weil etwas nicht präsent ist, ist es nicht weg. Und der Rassismus und das faschistische Gedankengut war nie, nie nie weg.
Das Lernen und Lehren aus der Geschichte wird vielerorts verpasst bzw. sträflich vernachlässigt. Es gibt ein Geschichtsvakuum, das nach der letzten Lichterkette für Lichtenhagen begann und viele glauben wollten, dass damit nun wirklich der letzte (Neo-)Nazi verstanden hatte, dass sie weder erwünscht waren, noch Recht hatten.
Hahahaha. Und dann kam der NSU, der Mord an Lübcke, die Attentate in München, Halle und Hanau…
Ich rede mit dem Kind schon lange offen – und natürlich so kindgerecht wie möglich – immer wieder über die Nazizeit und den Holocaust. Ich kann und will ihn da nicht mit „Das verstehst du noch nicht“ abspeisen. Denn Kinder verstehen das sehr wohl. Nur wenn wir früh genug damit anfangen, den Kindern zu erklären, was damals passiert, geben wir ihnen die Chance aus der – zum Glück – nicht selbst erlebten Geschichte zu lernen. Bis sie es im Geschichtsunterricht gelehrt bekommen, ist es zu spät.
Und deswegen kommt das Kind natürlich mit, wenn wir uns entsprechende Mahn- bzw. Denkmäler ansehen.
Am „Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas“ wurde das Kind sehr still.
Er weiß jetzt, was eine Zwangssterilisation ist, was die Nürnberger Rassegesetze waren und dass 500.000 Menschen so viele sind wie in Frankfurt gewohnt haben, als ich vor 15 Jahren dahin gezogen bin.
Und jede, die meint, sie könne es ihrem Kind nicht begreiflich machen: Das können wir alle nicht, weil es unbegreiflich ist.
Aber wir können darüber reden, weil das Kind fragt, was ein Stolperstein ist. Wir können zusammen „Der Krieg und ich“ gucken. Das Tagebuch von Anne Frank ist ein Einstieg ins Thema (als Original oder Comic).
Je nach Alter gibt es viele Möglichkeiten, aber bitte, schiebt das Thema nicht auf später.
Denn was ich sehe, wenn ich mit dem Kind über die Naziverbrechen spreche, dass das dieses „wehret den Anfängen“ ist.