(ö) Lichtblicke 2021
Uff, was für ein Jahr. Ein ganzes Jahr Pandemie. Insgesamt war das Jahr nicht so prall. Wobei das natürlich Jammern auf höchstem Niveau ist: Wir sind gesund geblieben, wir konnten geimpft werden. Wir haben sichere Jobs, ein Dach überm Kopf, immer zu essen. Dennoch hat dieses Jahr mir viel abverlangt. Ich bin – im Gegensatz zum letzten Jahr – nicht mehr zynisch, sondern vielmehr resigniert. Ich weiß gar nicht, ob ich das Jahr monatsweise rekapitulieren kann und will.
Januar: Das Jahr beginnt, wie das alte endete: Ich helfe meinen Eltern bei ihrem Umzug. Ich bin froh, dass ich darauf bestanden habe, dass an dem einen Tag das Kind mitkommt. So sieht er den Opa noch ein letztes Mal. Ansonsten scheint das Jahr zunächst gnädig zu sein: ein entspannter Geburtstag, Schnee und Wanderungen im Schnee, auch beruflich lässt es sich entspannt an. Doch dann überschlagen sich die Ereignisse: Papa geht es zunehmend schlechter und am 28.1. stirbt er. Noch immer hadere ich ein bisschen damit, dass ich mich, als meine Mutter mich anrief, nicht sofort in den Zug gesetzt hatte. Dann hätte ich mich noch persönlich verabschieden können. Die Welt steht nun still.
Lichblicke: Papas Schreibtisch ist jetzt mein Schreibtisch, Schnee, Papa gratuliert mir zum Geburtstag
Februar: Papa wird beerdigt. Das tat weh und wurde durch Pandemie und das Bestattungsinstitut nicht besser. Ich komme nur schwer in den Arbeitstritt zurück, aber meine innere Preußin (und Papas Gene) kann sich nicht damit anfreunden nichts zu tun. Die Schulen sind zu und so steht mal wieder HomeSchooling auf dem Plan. Das Kind tut sich diesmal schwerer. Der RB und ich wandern – bei mildesten Temperaturen – die Via Regia zu Ende.
Lichtblicke: Wanderungen, wir sind gesund, der Afghan Hue Shift ist endlich fertig gestrickt
März: So wirklich was Spannendes ist nicht passiert. Weiterhin HomeSchoolig und HomeOffice. Wir lenken uns mir Wanderungen ab so gut es geht. Ich gehe Blutspenden und zum Friseur. In Frankfurt ist Kommunalwahl. Der Vaxzevria-Stopp erhitzt die Gemüter und auch sonst bestimmt die Pandemie alles. Wir starten mit Marley Spoon. Die Installation der Twitterkneipe jährt sich. Arbeit wird mehr und mir wird eine Beförderung angeboten. Insgesamt bin ich frühjahrs- pandemie- und überhaupt müde.
Lichtblicke: erste Grie Soß des Jahres, Friseurbesuch
April: Wir starten mit einem Zoo-Besuch in den Monat. Mit dem Kv eskaliert es Pandemie-bedingt. Zu Ostern fahren das Kind und ich zu meiner Mutter. Ich habe ein paar Tage frei. Wir haben zwei Wanderdates. Dieses Menschen-Treffen ist schön und fühlt sich doch komisch an. Ich gebe meine Steuererklärung ab. Es zeigt sich immer mehr, dass der Staat Coronaleugner-Demos durchlaufen lässt. Irgendwas mit Bundesnotbremse. Ich nehme Kontakt zu zwei Prof-Kollegen von Papa auf. Mit der schulischen Testpflicht ist in Hessen die Präsenzpflicht aufgehoben. Pandemie und Politik sorgen dafür, dass mein Blutdruck nicht absackt. Meine Mutter ist erstgeimpft.
Lichtblicke: Wanderdates, freie Tage, Aussetzen der Präsenzpflicht
Mai: Ich fahre das Kind zur Oma. Damit wir mal durchschnaufen können. Ob er nun in Frankfurt oder Lüneburg HomeSchooling macht, ist eigentlich egal. Uneigentlich nutzt er es aus, um nichts zu tun. Der plötzliche Tod von Frau Miest erschüttert meine Twitterbubble. Weil alle in meinem Umfeld der festen Überzeugung sind, dass sie niemalsnie geimpft werden, beginne ich, mich mit den Lieferungs- und Impfzahlen zu beschäftigen und werte sie seitdem wöchentlich aus (Spoiler: Es sind mittlerweile alle geimpft, größtenteils sogar schon 3x). Arbeit nimmt deutlich an Pensum zu. Irgendwie ein komischer Mai, warm wird es auch nicht.
Lichtblicke: kinderfreie Zeit, Wanderungen, Erst-Impfung für den RB und für mich
Juni: Puh, viel zu tun bei der Arbeit. Daneben muss ich für das Kind einen neuen Ausweis organisieren, denn mit 12 läuft der bisherige Kinderpass ab und er braucht im kommenden Monat einen Pass. Das Kind hat Geburtstag und feiert ihn ihm kleinsten Kreis mit einem Klassenkollegen. Das Wandern wird weniger. Der Urlaub für den nächsten Monat ist unsicher, ich bin froh, dass das Kind zum Kv fliegen wird. Das Kind geht wieder in die Schule, es eskaliert so dermaßen, dass wir das Projekt „Umschulung“ angehen.
Lichtblicke: des Kindes Geburtstag, 2. Impfung für den RB und mich
Juli: Wie immer ist die Zeit vor dem Urlaub pickepacke voll mit Arbeit, aber wenigstens muss ich den Urlaub nicht verkürzen und der RB und ich haben uns spontan für eine Woche Ostsee und eine Woche Altes Land entschieden. Die Pandemie beschäftigt uns alle weiterhin. Zudem erschüttern Fluten Deutschland. Politikversagen wird auf einer weiteren Ebene sichtbar. Die Umschulung vom Kind wird fix gemacht. Seinen Pass kann ich auch rechtzeitig abholen und dann schaffen wir es sogar noch, dass das Kind vor dem Flug zum Kv erstgeimpft wird. Und kaum ist das Kind im Flieger, fahren der RB und ich Richtung Urlaub. Die zwei Wochen tun sehr gut und sind dringend nötig. Eine Woche mehr wäre für den Erholungseffekt besser.
Lichtblicke: neuer Kühlschrank, Urlaub mit Fehmarn, Meer, Hamburg und Helgoland
August: Ich bringe mir aus dem Urlaub ein Ekzem am Kopf mit, das mich bis Oktober beschäftigen wird. Zwischenzeitlich habe ich sogar Angst, dass es sich um einen seltenen Tumor handelt. Wir haben noch zwei Wochen kindfrei. Weil Frankreich Risikogebiet wird, wird das Kind rechtzeitig vor Rückflug noch in Frankreich zweitgeimpft. Im Job ist es eigentlich recht entspannt, uneigentlich zeichnet sich bei einem Projekt Unheil ab. Wir tauschen den Herd (also Backofen und Kochfeld) und strukturieren die Küche etwas um. Dazu gibt es noch neue Wohnzimmermöbel, eine neue Lampe (der neue Tisch muss noch warten) und neues Geschirr. Auch sonst bin ich im Aufräum- und Ausmistmodus. Teile der Twitter-Essensgang treffen sich bei mir zum Gyozasfalten. Ende des Monats geht für das Kind das Schuljahr an der neuen Schule los.
Lichtblicke: des Kindes Impfung, „alles“ neu
September: Es knirscht bereits seit wir aus dem Urlaub zurück sind. Wir reden. Im Job wird es immer mehr und das eine Projekt spitzt sich noch mehr zu. Ende des Monats ist klar, dass ich im Oktober keinen Urlaub haben werde. In der neuen Schule lässt es sich fürs Kind gut an. Der Monat startet mit einem Konzert. Ich habe kurz Rüsselpest. Ich baue dem Kind ein Schreibtisch. Das Blog wird wiederbelebt. Ich gehe auf das zweite von zwei Konzerten in diesem Jahr. Neben der Pandemie bestimmt die Bundestagswahl den Monat.
Lichtblicke: Das Kind erlebt Schule entspannter, Konzerte
Oktober: Die Pandemie bestimmt weiter alles. Wir starten mit einem Wanderdate in den Monat. Das Kind verbringt die Herbstferien teilweise bei Oma. Der RB und ich stoßen für die Geburtstage dazu. Ich arbeite und arbeite und arbeite. Definitiv zu viel, aber es geht nicht anders. Zudem habe ich ein paar unschöne Gespräche. Das Blog muss semi-öffentlich weitergeführt werden. Der Hautgeschichte wird final auf den Grund gegangen: keine Allergie. Ende des Monats bin ich dann zu letzten Mal in diesem Jahr unter Menschen auf einer kleinen Open-Air-Halloween-Party.
Lichblicke: Wanderdate, Wochenende bei meiner Mutter
November: Arbeit, der November besteht eigentlich nur aus Arbeit. Das Kind tut sich schwer mit der Schule, also mit seiner Lust in die Schule zu gehen. Der Mann und ich fangen an, zusammen „Star Trek – Next Generation“ zu gucken. Erstmals muss ich mit dem Kind in die Notaufnahme, weil er da in was verwickelt war. Mitten in der Pandemie natürlich eine Top-Idee. Ich entscheide, dass der #BAdventskaffee nur digital stattfinden wird. Freundin A löst ihr Geburtstagsgeschenk ein und wir wohnen zusammen einem Online-Tasting vom RB bei.
Lichtblicke: Friseur, Räucher-Drosten, Booster für den RB und mich
Dezember: Nach zwei sehr aufreibenden Monaten im Job starte ich mit einer Woche Urlaub in den Dezember, die ich für die diesjährige Backaktion nutze. So ist auch alles rechtzeitig zum Verschicken der Kekspäckchen parat, damit die Teilnehmerinnen des digitalen #BAdventskaffee nicht an dem einen und/oder dem anderen Termin hungern müssen. Im Job wird es tatsächlich ruhiger. Es wird nochmal sehr stressig mit dem Kv, bis ich dann doch entscheide, dass das Kind nicht nach Frankreich reisen wird. Weihnachten fällt gewissermaßen aus. Der RB ist bei seinem Vater. Das Kind und ich machen es uns mit Nichtstun, Zocken und Star-Trek-Filmen gemütlich.
Lichblicke: Woche frei, #BAdventskaffee, die Twitterkneipe fürs Kind
Rückblick geschafft, aber ehrlich: Das tat teilweise echt weh. Mein 2021 bestimmten drei P: Papas Tod, Pandemie und Politik. Die haben mich emotional sehr aufgewühlt und auch mehr aus der Bahn geworfen, als eine das von außen sehen kann. Während Papas Tod meine persönliche Sache ist, hätte Pandemie und Politik besser laufen können. Ich bin es auch leid zum dreihundertdrölfzigsten Mal zu erklären, wer für Zulassungsempfehlung (CHMP der EMA), die Zulassung selbst (EC) und die Einsatz-Empfehlung (in D: RKI) von Impfstoffen / Medikamenten zuständig ist. 74 Mio Virologinnen und Impfstoffexperinnen in diesem Land wissen alles und das auch besser. Mein Vertrauen in die Politik ist seit diesem Jahr nicht mehr existent. Ich finde so vieles so furchtbar. Diese Gesellschaft und unsere Demokratie sind dermaßen kaputt. Wenn ich den RB, das Kind, meine Bubble und insbesondere die Twitterkneipe nicht hätte, wäre ich schon längst verzweifelt. Auch Events wie der #BAdventskaffee helfen mir, nicht den Glauben an die Menschheit zu verlieren.
Ich weiß nicht, was ich mir für 2022 wünsche. Es wäre schon mal schön, wenn es nicht schlimmer wird als 2021. Dass wir gesund bleiben. Dass sich wirklich ein Pandemie-Ende abzeichnet. Dass ich es wieder schaffe, Events uneingeschränkt zu genießen. Mehr Leichtigkeit. Auch mehr Zeit für mich.