Je suis Charlie
Ich muss ja gestehen, dass ich trotz meinerm frankophilen Vergangenheit Hintergrund bislang nichts von Charlie Hebdo gehört hatte. Und da bin ich vermutlich nicht die einzigste. Satire-Zeitschriften haben nun mal keine allzu große Auflage und richten sich ja doch eher an eine kleine Zielgruppe. Zudem hatte ich immer das Gefühl, dass Satire oder überhaupt Kritik (außer in Form von Streiks und Demos) in Frankreich nicht so einfach ist. Wenn der Ex-Mann etwas anderes als die Guignols schaute, wirkte es immer so, als würde er heimlich Alkohol während der Prohibition trinken.
Doch damit hat das, was was gestern in Paris passiert ist, nichts zu tun. Und vermutlich hat es mich deswegen so schockiert. Es macht mich extrem* betroffen: Ich bekomme bei den vielen Tweets zum Thema Gänsehaut. Da sind so viele kluge Sätze bei:
Nos pensées sont avec nos collègues de @Charlie_Hebdo_ et ses familles et ses proches. #CharlieHebdo pic.twitter.com/NljaLRJVFs
— extra3 (@extra3) January 7, 2015
Ich habe nichts gegen Religion.
Ich habe etwas gegen Menschen, die nicht genug Glauben haben, um auch über ihren Gott lachen zu können.
— Ralph Ruthe (@ralphruthe) January 7, 2015
Das Schlimme ist – für dumme Menschen ist die Welt heute noch ein wenig einfacher geworden.
— Mann vom Balkon (@MannvomBalkon) January 7, 2015
The real Paris! France is strong. Paris – Place de la République. La France rassemblée #JeSuisCharlie pic.twitter.com/s2rPX96wh2 via @BBuffault
— Isabelle Daniel (@isabelledaniel) January 7, 2015
Gerade gelernt: Ich bin eine Heuchlerin, weil ich geschockt von einem feigen Attentat und trotzdem gegen Pegida bin. – Was für ein Quatsch!
— Victoria Schwartz (@VictoriaHamburg) January 7, 2015
Die Frage war noch nie, ob man religiös oder nicht, rechts oder links ist, sondern nur, ob man selbst denkt oder sich etwas vordenken lässt.
— Peter Breuer (@peterbreuer) January 7, 2015
Auch die vielen sehr, sehr treffenden Cartoons berühren mich. Hier und hier und hier gibt’s Übersichten.
Und ein Bild auf instagram trieb mir sogar die Tränen in die Augen.
So gefühlig kenne ich mich nicht. Was ist es also, was mich an dieser Tat so erschüttert?
Für mich ist das Recht, (meine) Meinung frei äußern zu können, elementar. Eine DER Grundfesten unserer Gesellschaftsordnung. Und dieses Recht wurde mit der gestrigen Tat mit Füßen getreten – zumindest versucht.
Das macht mir Angst.
Angst, weil sich da irgendwelche Bekloppte ein Recht herausnehmen, dass ihnen nicht zusteht.
Angst vor dem Größenwahn, der da mitschwingt, die eigene Meinung so viel höher stellen zu dürfen als JEDE andere und diese auch im Zweifel mit Waffen durchzusetzen.
Angst vor noch mehr solcher Durchgeknallten (egal welcher Gesinnung, Religion oder…), die ihre eigenen Befindlichkeiten so hoch bewerten, dass jeder, der nicht für sie ist, gegen sie sein muss.
Angst vor dieser blinden Unreflektiertheit**, die solche Taten überhaupt erst möglich macht.
Aber es ist keine ängstliche Angst. Es ist eine wütende Angst!
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* Wer mich kennt, weiß, dass ich auf viele Dinge nach außen sehr sachlich reagiere, wodurch ich schnell unbeteiligt wirke.
** Das ist vermutlich ein weißer Schimmel, oder?