Gibt es mich eigentlich?

Gibt es mich eigentlich?

Die Frage sollte ich mir so langsam mal stellen, wenn ich bedenke, dass es die Stadt, in der ich geboren wurde, aufwuchs, mein Abi machte und sogar studiert habe, angeblich nicht gibt.

Heute wurde ich auf Twitter mal wieder darauf aufmerksam gemacht. Also darauf, dass es Bielefeld ja gar nicht gebe.

Joah, wie man sich denken kann, habe ich das nicht zum ersten Mal gehört. Und für gewöhnlich antworte ich dann immer: „Du darfst den Witz mit soooooo einem Bart nur bringen, wenn du auch den Hintergrund dazu kennst.“ Aber da die wenigsten eigentlich keiner die Story kennt und mir zum Erklären 140 Zeichen etwas lästig wenig sind, mache ich das hier:

Fragt man eine Freundin von mir, würde sie zumindest sagen, dass sie nicht mit Sicherheit sagen kann, ob es Bielefeld gibt.
Anfang der 2000er kam sie mich besuchen. Mit dem Auto. Aus Richtung Nordwesten. Das war damals noch etwas abenteuerlich, da man nur über die Landstraße nach Bielefeld reinfuhr. Ich hatte sie gebeten, sich bei mir zu melden, sobald sie in Bielefeld sei. Sie rief mich also an, nachdem sie das Ortsschild Bielefeld überfahren hatte. Ich erklärte ihr noch einmal den Weg und rechnete damit, dass sie 25 Minuten später an der Tür klingeln würde.
Es klingelte. Am Handy. Nach fünf Minuten: „Ich glaub, ich habe mich verfahren. Da war schon wieder ein gelbes Ortsschild.“ Ich überlegte, wie sie sich in den fünf Minuten auf einer eigentlich schnurgeraden Landstraße verfahren konnte. Mir dämmerte es und ich sagte ihr, sie solle erstmal weiterfahren. Keine weiteren fünf Minuten später meldete sie sich wieder, da wäre noch ein Ortsschild gewesen. Während sie leicht panisch klang, musste ich schmunzeln. Keine Ahnung, ob es ein Bielefelder Phänomen ist, aber in meiner Heimatstadt hat jeder Stadtteil – und davon gibt es 38 – ein eigenes Ortsschild (oder hatte damals zumindest). Und so fuhr meine Freundin auf ihrem Weg zu mir ungefähr zehn Mal nach Bielefeld rein. Da kann man natürlich das Gefühl bekommen, dass man irgendwie im Raum-Zeit-Kontinuum verschollen ist.

Die eigentliche Bielefeld-Verschwörung ist etwa zehn Jahre früher entstanden. Es gibt verschiedene Theorien dazu. Die gängigste wird auf wikipedia beschrieben. Die Ergänzung, die ich kenne, ist, dass Studenten (die gleichen oder andere) im Nachgang an den Ausspruch „Bielefeld gibt’s ja gar nicht“ entdeckten, dass Bielefeld in keinem Reiseführer über Deutschland stattfand. Naja, werden nun einige sagen, was hat Bielefeld denn schon zu bieten.
Vielleicht muss man sich nicht so anstellen, aber als elftgrößte Stadt Deutschland (Fläche, Frankfurt auf Platz 12), die 0,4 Prozent der Bevölkerung beherbergt (Platz 18 beim Einwohner-Ranking) und damit deutlich vor Dörfern Städten wie Heidelberg rangiert, darf man doch wenigstens eine Erwähnung erwarten. Zumal der Teutoburger Wald, die Senne, die Sparrenburg und manch anderes durchaus sehenswert sind. Die Kunsthalle bietet oft interessante Ausstellung. Die Uni, eine der wenigen Reformuniversiäten Deutschlands, ist aufgrund ihrer sehr eigenwilligen Architektur* auch einen Besuch wert. Auf dem Weg dorthin kann man sich auch die Oetkerhalle angucken, die für ihrer Akustik weltberühmt ist und mit ihrer Architektur punktet. Und nicht zu verachten ist die Industrie der Region wie Dr. Oetker, Miele, Dr. Wolff, Gildemeister, Ostmann-Gewürzen Seidensticker, Dürkopp-Adler, Schüco.

Und im nächsten Teil der Heimat-Reihe dann: Gehen Ostwestfalen wirklich zum Lachem in den Keller.

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* So speziell, dass eine Kommolitonin, die mit ihrer Mutter zwecks Einschreiben erstmals zur Uni fuhr, sich fast nicht immatrikuliert hätte. Denn während ihre Mutter fuhr schaute sie auf den Plan, guckte hoch, sah ein großes graues Gebäude und meinte zu ihrer Fahrerin: „Da hinter der Fabrik muss es sein.“ Ähhm ja… Die Lernfabrik wirkt für Außenstehende wohl etwas befremdlich (ich bin ja quasi darin aufgewachsen – ja, in der Uni).

5 Gedanken zu „Gibt es mich eigentlich?

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